Ist Umkleidezeit immer Arbeitszeit? Ein Buch mit 7 Siegeln? Oder wie ist zu differenzieren?

Es gibt zwei neue BAG - Entscheidungen, die eine gute Orientierung bieten. In den Leitsätzen des Urteils des BAG vom 19.09.2012 – 5 AZR 578/1 – heißt es:

„Umkleidezeiten und durch das Umkleiden veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten sind Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Zur Arbeitszeit zählt die Zeitspanne, die für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit für das Umkleiden erforderlich ist. Ermöglicht dies der Arbeitgeber nicht am Arbeitsplatz, sondern in einer besonderen Umkleidestelle, zählen diese innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit. In der Begründung definiert das Bundesarbeitsgericht Arbeit als jede Tätigkeit, die als Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich aus der Weisung und dem Umstand, dass ein Anlegen der Kleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausgeschlossen ist.“

Die zweite Entscheidung gibt folgende Orientierungshinweise (BAG, Beschluss vom 10.11. 2009, 1 ABR 54/08):

„Das Ankleiden vorgeschriebener Dienstkleidung im Betrieb gehört zur Arbeitszeit i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn diese Kleidung besonders auffällig ist und deshalb nicht bereits auf dem Arbeitsweg getragen werden braucht. Hierfür kommt es nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers an, sondern auf eine objektive Betrachtungsweise …“

Auch in dieser Entscheidung bezieht sich das Gericht auf den Begriff der Fremdnützigkeit. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht fremdnützig und damit Arbeitszeit, wenn sie zuhause angelegt und – ohne auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeit getragen werden kann.

In dem zu entscheidenden Fall bewertete das Bundesarbeitsgericht die Kleidung der auffällig markanten und signalgebenden Farbkombination blau/gelb bei der Oberbekleidung einschl. eines aufgedruckten Logos es so, dass damit der Arbeitnehmer zum Werbeträger gemacht wird. Eine derartige Auffälligkeit führt zur Fremdnützigkeit und Anerkennung als Arbeitszeit.

Worauf hat der Betriebsrat zu achten? Was kann aus den zitierten Entscheidungen geschlussfolgert werden? In Zeiten der Infragestellung von bezahlten Pausen, Arbeitsverdichtung und Flexibilisierung von Arbeitszeit könnte schon bei der Wahrnehmung der starken Mitbestimmung des § 87 BetrVG gegengesteuert werden.
Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Tragen der Kleidung angeordnet ist. Meist wird dies mit corporate identity begründet.
Im zweiten Schritt muss das Outfit der Kleidung betrachtet werden. Je knalliger die Farben und je größer das Logo, desto eher wird Mann/Frau zur Fremdnützigkeit und damit zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit kommen. Anders wäre es bei einem winzigen Logo und beispielsweise dunkler oder gedeckt einfarbigen Kleidungsstücken. Grob wird man fragen, ob sich jeder Neutrale mit dieser Dienstkleidung in die Straßenbahn oder Öffentlichkeit trauen kann, ohne aufzufallen.

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