Mitbestimmung und Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats bei Leiharbeit und Werkverträgen

Bevor auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und Rechtsprechung eingegangen werden soll, stellt sich meines Erachtens nach die entscheidende Frage: Was will ich als Betriebsrat tun und erreichen? Will ich wirklich Missbrauch von Leiharbeit und Werkvertrag bekämpfen? Ohne ein eindeutiges „Ja“ zur Antwort ist jede weitere Diskussion von Recht überflüssig. Meine Erfahrung als Referent in vielen Seminaren lässt mich zu dieser Bewertung kommen.

Nun gehen wir davon aus, dass sich die neu gewählten Betriebsratsmitglieder mit einem klaren „Ja“ zu der Auseinandersetzung bekennen und wissen wollen, wie der aktuelle Stand der Rechtslage und der Rechtsprechung ist.

Zunächst sei auf die aktuelle Fassung des AÜG hingewiesen, wonach ab dem 01.12.2011 Arbeitnehmerüberlassung nur noch vorübergehend rechtlich zulässig ist.
Da der Begriff „vorübergehend“ nicht definiert wurde, war der Streit vorprogrammiert.
Ohne sich auf eine konkrete Zahl von Monaten festzulegen, hat das BAG klargestellt, dass bei nicht vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht im Rahmen von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zusteht:
Ein Verstoß gegen ein Gesetz (vgl. BAG vom 10.07.2013 – 7 ABR 91/11 –).

Hintergrund war ein nahezu klassischer Sachverhalt. Der einstellende Arbeitgeber hat 2005 entschieden, grundsätzlich alle neu zu besetzenden Stellen nur noch mit Leiharbeitnehmern zu besetzen.
Die Einstellung erfolgt zunächst bei einer Verleihfirma, die dann den Leiharbeitnehmer an den Arbeitgeber weiterverleiht. Der dort bestehende Betriebsrat wittert zu Recht Missbrauch und fragt nach seinen Rechten.

Erfreulicherweise hat das BAG dem klagenden Betriebsrat Recht gegeben.
Im Leitsatz der Entscheidung heißt es, dass in dem Fall, wenn der Entleiher beabsichtigt, einen Leiharbeitnehmer mehr als vorübergehend zu beschäftigen, der Betriebsrat des Entleiherbetriebes seine Zustimmung begründet verweigern kann.
§ 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verbietet die mehr als vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Es handelt sich um eine verbindliche Rechtsnorm, die von den Gerichten zu beachten ist.
Der Zweck der Regelung kann nur erreicht werden, wenn die Einstellung insgesamt unterbleibt.


Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und bedarf dringend der Umsetzung im Betrieb.
Für den Betriebsrat ist zunächst wichtig, eine Bestandsaufnahme zu machen: Wie viele Leiharbeitnehmer gibt es überhaupt? In welchen Abteilungen? Wie ist die Entwicklung der letzten Jahre?
Wenn sich ein deutlicher Missbrauch im Sinne eines Austausches von Stammbelegschaft ergibt, hilft der Hinweis auf das BAG und ein entsprechendes Handeln im Rahmen seiner Mitbestimmung.
Sollte es noch weitere Zustimmungsverweigerungsgründe geben, kann davon natürlich Gebrauch gemacht werden.

Ein weiteres weitgehend unbekanntes, aber umso effektiveres Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat im Schichtbetrieb, wenn Leiharbeitnehmer in Schichten eingesetzt werden.
Hier hat die Rechtsprechung seit Jahren die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG anerkannt. Nicht nur die Schichtplangestaltung, sondern jede Veränderung der personellen Zusammensetzung der einzelnen Schichten ist ein Fall der Mitbestimmung?!
Dies bedeutet, dass dem Betriebsrat das stärkste Mitbestimmungsrecht zukommt und er einfach nur „nein“ sagen muss und nicht – wie bei einer Einstellung nach § 99 – nach Verweigerungsgründen sucht.
Ein starkes Recht, was bei der Bekämpfung von Missbrauch hilft!?


Problem: Werkvertrag

Nicht wenigen Arbeitgebern ist die Neufassung des AÜG ein Dorn im Auge.
Teilweise wird offen diskutiert, dass sie als Ausweichmanöver auf Werkverträge zurückgreifen. Meist ein nur vordergründiges Manöver.
Erfreulicherweise hat auch hier die Rechtsprechung den Missbrauchscharakter erkannt und enttarnt derartige Vertragskonstruktionen.

Zwei Landesarbeitsgerichte haben dies zum Ausdruck gebracht (vgl. LAG Schleswig vom 05.06.2013 – 7 TaBV 6/12 – und LAG Berlin vom 06.05.2013 – 21 Sa 2286/12 und 21).

In beiden Fällen wurde verdeckte Arbeitnehmerüberlassung erkannt, da die Arbeitnehmer des Drittunternehmens in einer Weise in den Produktionsprozess des Auftraggebers eingebunden waren, dass dem Drittunternehmen kein nennenswerter eigener organisatorischer Entscheidungsspielraum verbleibt. Mit der Folge, dass dann Arbeitnehmerüberlassung vorliegt.

Die Auftraggeber hatten in beiden Fällen ein derart engmaschiges Leistungsverzeichnis zur Grundlage des Werkvertrags gemacht, dass dem Auftragnehmer praktisch kein Handlungsspielraum blieb und die Verzahnung mit dem Produktionsablauf offenkundig war. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat dem Betriebsrat folgerichtig ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zugesprochen, das er an sich bei einem echten Werkvertrag nicht hat.

Beide Urteile verdienen Beachtung und helfen konfliktorientierten Betriebsräten weiter.
Auch hier ist die Grundbedingung, zunächst eine Bestandsaufnahme zu machen.
Wo gibt es welche Werkverträge? Im nächsten Schritt ist die Praxis und das Leben dieser Verträge anzugehen. Viel Arbeit, die sich aber lohnt.

Auch wenn es nur ein kurzer Abriss war, soll er doch aufzeigen, dass die Möglichkeiten für Betriebsräte beachtlich sind, wenn sie sich dem Problem stellen und WOLLEN!

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